Eine bessere Quarantäne hätte ich nicht haben können“, verrät Jitendra Tamang.
(Photo: André Feller)
Tagebuch: 6.830 km Luftlinie zwischen Nepal und Luxem- burg sind eine beachtliche Distanz. Was führt Sie zur BBI nach Wiltz?
Jitendra Tamang: Der Fremden- verkehr ist ein wichtiges wirtschaft- liches Standbein in meiner Heimat. Nepal ist reich an Kultur und Tra- ditionen. Unser Land hat viel zu bieten, unter anderem Trekking und Bergsteigen, Unesco-Welterbestät- ten – alleine Kathmandu zählt sie- ben Unesco-Sehenswürdigkeiten. Auch kann man bedrohte Tierarten in ihrer natürlichen Umgebung be- obachten, etwa den Bengalischen Tiger, das Panzernashorn, Rote Pandas, Schneeleoparden und noch viele andere. Der Tourismus befin- det sich im Aufschwung, schät- zungsweise mit 2 Millionen Touristen jährlich. Meine Familie ist in dieser Branche tätig. Also steige ich auch in den Fremdenverkehr ein. Eine entsprechende hochwertige Ausbildung ist für die Zukunft von Bedeutung. Ich entschied mich zu einem Master-Studium. Die welt- weit renommierte BBI ist eine der wenigen Schulen, die Hotel und Tourismusmanagement in einem einzigen Studiengang anbietet. Dank der guten Beziehungen zwischen Nepal, Indien und Luxem- burg hat mich die Botschaft in Indien in allen Belangen für das Studium in Wiltz unterstützt.
Als Master-Student absolvieren Sie derzeit ein Intensivpraktikum in einem belgischen
Hotel nahe der Luxemburger Grenze. Wie sieht Ihr gewöhn- licher Arbeitsalltag aus?
Wochentags arbeite ich in den Abteilungen des Personal- und Fi- nanzwesens. An den Wochenen- den bin ich sogenannter Night Auditor. Dieses Aufgabengebiet umfasst den Kundenempfang an der Rezeption, die Entgegennahme und Kontrolle der Kellnerabrech- nungen, Rechnungsbearbeitung und Kassenführung. Dazu kom- men Telefonate sowie die Überwa- chung aller sicherheitsrelevanten Bereiche und Kontrollgänge im ge- samten Hotelkomplex. Das Night Auditing gewährleistet einen rei- bungslosen Check-out der Gäste am Folgetag.
Aufgrund der aktuellen Lage läuft der Hotelbetrieb auf Sparflamme. Seit dem Lockdown leben Sie im Hotel. Sind Sie nun der „Mann für alle Fälle“?
Fühlen Sie sich nicht sozusagen in „Gefangenschaft“?
Immerhin leben Sie nun seit Mitte März im Hotel.
Nein, im Gegenteil. Eine bessere Quarantäne könnte ich nicht haben. Ich bin überglücklich, dass ich im Hotel weiterarbeiten darf. Erstens, wo hätte ich hingehen sollen? Zweitens, die Weiterarbeit im Hotel ist mein Einkommen. Die meisten Hotelstudenten stehen vor dem Nichts, kein Praktikum, kein Einkommen, kein Arbeitslosengeld (als Student ist man vom Arbeitslosengeld ausgeschlossen). Auf der anderen Seite weitere Ausga- ben wie Miete und Lebensunterhalt.
Ich habe alles hier im Hotel: ein
Zimmer, Verpflegung, Internetan-schluss. Ich kann und darf weiter- arbeiten und vor allem mein Intensivpraktikum abschließen. Für den Master-Abschluss ist dies von absoluter Wichtigkeit. Als Ju- gendlicher verbrachte ich viele Jahre in Schulinternaten, von daher stört mich das Leben im Hotel nicht. Das dauert ja auch nicht ewig an.
Bringt die Krise Ihnen Vorteile in Ihrer beruflichen Ausbildung?
Das intensive und gleichzeitige
Multitasking gehört normalerweise nicht zur Ausbildung. Ich lerne andere Berufsfelder im Hotelwesen kennen. Vor allem aber fördert diese Situation mein Organisationstalent sowie den Umgang mit Stress. Das Master-Diplom berechtigt mich dazu, ein Hotel zu eröffnen. In jedem Hotel kann es zu unplan- baren Geschehnissen kommen. Als Manager muss man entsprechend schnell reagieren können. Somit ist das Switchen in andere, nicht zur Ausbildung gehörende Berufsfelder, ein erheblicher Vorteil für meine Karriere.